Unsere aktuelle Klassenkampfsituation in Österreich

E. 17.7.23

Wenn wir was verändern, in die Klassenkämpfe wirksam eingreifen wollen, müssen wir die aktuelle Situation bestimmen und die sich abzeichnenden Entwicklungen berücksichtigen. Von einer kleinen Stube in Wien aus, mit einer kleinen Gruppe, ist das schwierig. Deshalb schauen wir uns auch die Weltlage-Einschätzungen von ausländischen, größeren Organisationen an – und zwar kritisch und auf Basis unseres Wissens und unserer Erfahrung, denn es wird viel Unsinn verbreitet.

Eine Hilfe für unsere Orientierung sind die vier großen Widersprüche im Imperialismus und die Veränderung ihrer Gewichtung. Ausgehend vom Grundwiderspruch im Kapitalismus zwischen kollektiver Arbeit und privater Aneignung erkennen sehen wir große 4 Widersprüche, die die Entwicklung der Gesellschaft prägen:

Der Widerspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie, der zwischen Imperialismus und unterdrückten Völkern bzw. Nationen, der zwischen den konkurrierenden Imperialisten und schließlich der zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Einer der 4 ist meist dominierend, aber die anderen 3 wirken weiter. Darum geht‘s heute. Diese 4 Widersprüche verschärfen sich ständig – und zwar im Weltmaßstab gesehen, nicht in jedem einzelnen Land – und treiben die gesellschaftliche Entwicklung voran.

Die vier genannten Widersprüche sind antagonistisch, d.h. innerhalb des bestehenden Systems nicht lösbar und führen über den Kapitalismus in seinem imperialistischen Stadium hinaus zum Sozialismus.

Fast alle an Marx und Lenin orientierten Organisationen und Gruppen orientieren sich heute historisch insbesondere an den Erfahrungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Damals stand nicht nur in Europa, sondern weltweit der Widerspruch zwischen Proletariat und Bourgeoisie im Mittelpunkt. Der Klassenkampf war so zugespitzt, dass der Sozialismus unmittelbar auf der Tagesordnung stand und in Russland auch siegte.

Durch die 2 imperialistischen Weltkriege und den Kampf der konkurrierenden Imperialisten um die Neuverteilung der Kolonien wurden die unterdrückten Kolonial-Völker zu einem entscheidenden Faktor in der globalen Auseinandersetzung. Sie kämpften in ihren Ländern gegen den gleichen Feind wie das Proletariat in den imperialistischen Zentren und die Verbindung beider Kämpfe schwächte und bedrohte den Imperialismus insgesamt. (Allerdings versuchten auch die konkurrierenden Imperialisten, den Befreiungskampf der Völker für ihre Interessen gegen den jeweiligen Konkurrenten zu nutzten. So z.B. die Briten gegen Japan in Süd- und Südostasien und in Ozeanien; oder Deutschland durch die Unterstützung der IRA.)

Durch den Sieg der chinesischen Revolution nahm der antiimperialistische Befreiungskampf Anfang der 2. Hälfte des 20 Jahrhunderts einen ungeheuren Aufschwung.

Aber in Europa hatten die Imperialisten mithilfe des Faschismus das Proletariat organisatorisch und politisch geschwächt und vor allem die Perspektive des Sozialismus massiv zurückgedrängt. Wieweit politische Fehler der KPs im Kampf gegen den Faschismus in Europa dafür verantwortlich sind, soll hier nicht behandelt werden. Die Situation in Europa in den 1950er und 60er Jahren ist uns bekannt.

Seit Jahren und Jahrzehnten – vor allem im Zusammenhang mit dem Niedergang des Sozialismus in der Sowjetunion und der Restauration des Kapitalismus in bürokratisch-staatskapitalistischer Form – gibt es weltweit eine breite Debatte über die Gewichtung der 4 Widersprüche, die zu verschiedenen, teilweise konträren Strömungen in der Internationalen Kommunistischen Bewegung geführt haben. Teilweise hat das soweit geführt, den Klassenkampf im eigenen Land zu vernachlässigen und die ganze Kraft auf die Unterstützung der Völker im antiimperialistischen Kampf zu legen.

Mit der Restauration des Kapitalismus in China hat die politische Auseinandersetzung eine neue Dimension angenommen. Es geht um die Frage: Was ist Sozialismus? – und damit um den Widerspruch zwischen Kapitalismus und Sozialismus auf theoretischer Ebene und als Perspektive (in wenigen halbbefreiten Gebieten auch als praktische Frage).

In den letzten Jahren hat sich der Widerspruch zwischen den konkurrierenden Imperialisten zum aktuell wichtigsten gesellschaftlichen Widerspruch entwickelt. Der Kampf des Proletariats und der unterdrückten Völker ist global gesehen hauptsächlich defensiv und wird immer stärker vom zwischenimperialistischen Widerspruch überlagert.

Die Widersprüche zwischen den imperialistischen Blöcken führen absehbar zu einem neuen Weltkrieg.

Das ist die Situation, mit der wir uns beschäftigen müssen. Was bedeutet das für unsere Aktivitäten, für den Kampf des Proletariats in unserem Land? Wo müssen wir ansetzen, um die alte Welt aus den Angeln zu haben?