Wagenknecht und die Rechtspopulisten

von P.N. 20.9.23

Laut akTVism (https://www.youtube.com/watch?v=cEvuIYcs-Bk) schlössen sich der Frau Wagenknecht, die ja gegen den Ukrainekrieg auftritt, auch Rechtspopulisten an, weil sie gegen den Krieg sind. Das ist, wenn man es so versteht, wie es gesagt wird, nicht richtig! Frau Wagenknecht ist eine der ganz wenigen Linken, die gegen den Ukrainekrieg Stellung beziehen. Links zu sein, bedeutet für Frau Wagenknecht auf der Seite der arbeitenden Bevölkerung zu sein, auf Seiten der Unterprivilegierten, die sonst von der Politik nicht gehört werden, nicht wahrgenommen werden. Weil diese aber dafür abseits des Intellektualismus der Selbstgerechten, wie Frau Wagenknecht die arbeiteraristokratische Mittelschicht nennt, ein Gespür dafür entwickeln, ein Gespür, welches auf den sinnlichen Erfahrungen des Alltags beruht, und darum spürend wissen, dass jeder Krieg und jede Kriegsunterstützung für sie als arbeitendes Volk, als Produzenten allen Reichtums, als Ausgebeutete und Unterjochte, als potenzielles Kanonenfutter unerträglich und inakzeptabel und von großem Übel ist, wenden sie sich der verlogenen Rechten und ihren populistischen Verlockungen zu, die ja ganz offen gegen die Unterstützung der Ukraine mit Waffen Stellung bezieht, bei gleichzeitiger, aber öffentlich unbemerkter Musterung und Stellung ihrer basalen Kader als Söldner für die Ukraine hinterrücks.

Frau Wagenknecht selbst kommt aber aus einer Partei von ehemals vielleicht Gleichgesinnten, nun aber immer mehr in die rechte Mitte abdriftenden Selbstgerechten, also Vertretern der Arbeiteraristokratie mit intellektuellem Anstrich, sogenannten woken Mittelstandsbürgern. Die Partei heißt „die Linke“. Frau Wagenknechts wirklich linker politischer Standpunkt wird also vom Volk nicht ebenso stark empfunden wie jener einer ganzen Partei, die auch schon dem Namen nach gegen den Ausverkauf Deutschlands an die USA ist, nämlich AfD, Alternative für Deutschland. Wenn sie dann aber schlussendlich doch gehört wird und überzeugen kann, dann bekommt sie natürlich auch Zuspruch aus dem Volk, wie ihn eigentlich „die Linke“ bekommen wollte, aufgrund ihres eigenen Desinteresses am Volk aber selbst nicht bekommt. Frau Wagenknecht macht also eine Politik, wie er „der Linken“ zustünde, und bekommt daher den ihr zustehenden Respekt aus der Bevölkerung. Und diese Bevölkerung setzt sich also genau aus denen zusammen, die eigentlich nur in Ermangelung einer wirklich linken Partei und Politik nach Rechts abgedriftet sind. Darum kann man nicht verbreiten, dass sich der Frau Wagenknecht auch Rechtspopulisten anschlössen. Selbst wenn es einige Rechtspopulisten geben sollte, die sich von der rechten AfD in Richtung Frau Wagenknecht politisch bewegen sollten, kann man es so nicht ausdrücken, nicht so verallgemeinernd. Außerdem wären ja die angesprochenen Rechtspopulisten offensichtlich soeben einem Wandel unterzogen.

Was fällt auf? – „Die Linke kann erfolgreich sein.“

Wenige Bemerkungen zu Arbeiterstimme Nr. 220/S. 10 ff., „Die Linke kann erfolgreich sein.“
https://www.arbeiterstimme.org/archiv/119-2023/nr-220

Von P.N. 4.9.23

1) Erste Bemerkung muss natürlich zu Heinz Bierbaums (Präsident der Europäischen Linken) Aussage getan sein, wonach die linken Parteien in Europa relativ schwach seien und bei den Wahlen nicht über 10 Prozent hinauskämen. Dazu ist nämlich zu bemerken, dass sofern man nicht zu „linken Parteien“ linksliberale hinzurechnet, sondern nur wirklich jene miteinbezieht, welche sich mit Klassenstandpunkt auf die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung beziehen, welche selbst wiederum die eindeutige, fast ausschließliche Mehrheit der Bevölkerung (Herr Babaler z.B. meint 96 Prozent der Bevölkerung vertreten zu können) ausmacht, dass die linken Parteien also nicht relativ, sondern absolut schwach bei Wahlen abschneiden. Da allerdings ist natürlich auch zu bemerken und sofort einzuwenden, dass ja eine Art von linkem Dogma auch ist, dass man sich an den bürgerlichen Wahlen nicht beteiligen solle; nicht unbedingt nicht, sondern leninistisch begründet nur situativ nicht und situativ doch. Zumindest gilt solches für die Leninisten unter den Linken. Das bringt es jedoch mit sich, dass verschiedene linke, insbesondere Kleinst-, Parteien überhaupt nicht am bürgerlich demokratischen Wahlzirkus teilhaben, weil sie die Situation unterschiedlich einschätzen und somit das revolutionäre Potenzial von Wahlen bzw. der Teilnahme daran. Insofern werden diese Parteien vielleicht auch den Erfolg nicht unbedingt am Wahlerfolg messen. Darum kann natürlich schon der Titel des Artikels der Arbeiterstimme über die belgische Partei der Arbeit nicht wirklich befriedigen, weil er so gesehen nichts offenbart. Inhaltlich muss der Artikel also dann wenigstens den engen Rahmen der Wahlen sprengen, indem er praktische politische Erfolge aufzeigt, die sich über den Wählerzuwachs hinausbewegen. Es muss eine wahrhaft breitenwirksame progressive bis revolutionäre Politik sichtbar werden. Diesbezüglich aber hapert es schon bei den als Ausnahmen angeführten populären Beispielen wie Syriza und Podemos. Man schaue sich also die belgische Partei der Arbeit näher an, meinte man, aber meiner Meinung nach, wird das dann im Artikel wenig herausgearbeitet; man bleibt zu stark auf der Ebene des Wahlerfolgs.

2) Zweite Bemerkung wieder zu einem Zitat Heinz Bierbaums, konkret: „Sie (die Partei der Arbeit) hat einen erstaunlichen Wandel von einer ehemals maoistischen Organisation zu einer in der Arbeiterklasse verankerten Partei der Arbeit durchgemacht und ist zum politischen Repräsentanten der sozial Benachteiligten geworden.“ Als ich das las habe ich mich beinahe verschluckt, ohne dass ich etwas gegessen hätte; einfach nur an der eigenen Spucke. Die belgische Partei der Arbeit soll nämlich der Darstellung nach eine maoistische Organisation gewesen sein. Der Maoismus ist nicht Gegenstand des Artikels und insofern wird uns auch nicht auseinandergesetzt, was nun unter Maoismus zu verstehen sei. Der Erfahrung und der Vielfalt der „maoistischen“ Organisationen nach, kann das schon Einiges mitunter sehr Unterschiedliches sein. Allerdings glaube ich, nein, weiß ich, dass nach keiner auch noch so absonderlich maoistischen Anschauungsweise der Maoismus im Widerspruch zur Verankerung in der Arbeiterklasse steht. Wozu also der Wandel, von dem Heinz Bierbaum berichtet? Er muss wohl die Praxis der maoistischen Organisationen als der Arbeiterklasse entfremdet ansehen. Das hieße allerdings, dass das wesentliche, gesitige, ideologische Element dieses Wandels der belgischen Partei der Arbeit, also die Umgestaltung jene vom Maoismus zur Repräsentation der sozial Benachteiligten ist. Das ist eine durchaus praktische Wendung, ob sie allerdings auch revolutionär ist, ist per se nicht zu entscheiden, ansonsten müssten wir vielen Organisationen der karitativen Hilfe progressiven, ja revolutionären Charakter zugestehen. Erfolge freilich kann man auch als karitative Einrichtung verbuchen.

3) Dritte Bemerkung: Plötzlich macht die Arbeiterstimme aber einen Schwenk und berichtet uns, dass Heinz Bierbaum wohl nicht der ganz richtige Zeuge für die Entwicklung der belgischen Partei der Arbeit sei, denn viel zu lange habe man die in Deutschland gar nicht auf dem Schirm gehabt. Mit Verweis auf einen Artikel von Peter Mertens und das Editorial der Zeitschrift Marxistische Blätter sowie einen Artikel von Ekkehard Lieberam zitiert man uns wieder zurück zum Klassenstandpunkt, den die belgische Partei der Arbeit offenbar wohl immer noch einnehme und betont als wesentliche Elemente, jetzt aber nicht mehr unter der Prämisse der eingefahrenen Wahlerfolge, sondern unter der Prämisse der Resilienz gegen Vereinnahmung durch Parteienstaat und Parlamentarismus,

  • marxistische Prinzipientreue (also doch noch Maoismus?)
  • enge Verbindung zur Lohnarbeiterklasse (Erweiterung statt Wandel?)
  • Wahrnehmung sozialer Aufgaben im Interesse der Prekarisierten der subalternen Klassen (politisches Exempel, lebensnahe Praxis).

4) Randbemerkung: S. 11 gleich ganz oben: „Sowohl von der Wirtschaftsleistung wie der Sozialstruktur her weisen Bayern und Belgien Ähnlichkeiten auf. Was die Unterschiede betrifft, dazu später.“ Möchte ich gerne fragen: Wann? Mir ist gar nicht aufgefallen, dass im Artikel auch Unterschiede von Belgien und Bayern aufgezählt würden, derer es wie zitiert sicher „mehr“ gibt.

5) Wichtig ist nun die Organisation Medizin für das Volk (MPLP) genannt. So wie es beschrieben ist, hätte die stark studentische Mitgliederschaft niemals Erfolg gehabt. „Die medizinischen Zentren …. florierten, während die Partei selber nicht weiterkam.“ Und dann der tödliche Satz: „Beteiligte man sich an Wahlen, waren die Ergebnisse deprimierend.“ Der Artikel ist so stark an der Misere der deutschen LINKEN orientiert, dass er immer wieder an die Oberfläche der Wahlen taucht, um Luft zu schnappen. Aber in Wirklichkeit müsste er sich doch auch mit der Zusammensetzung der Partei auseinandersetzen. Wie soll denn die Partei die LINKE in der Arbeiterklasse verankert sein, wenn in ihr die „Selbstgerechten“ (Wagenknecht) verankert sind? Ob uns der Artikel also wirklich die Vorzüge der belgischen Partei der Arbeit erläutern kann?

6) Jetzt kommt es (zweite Spalte S. 11) zu Erneuerung der Partei. Wir lesen vom Ende des Dogmatismus und vom Ende so mancher maoistischer Parteien. Das wird so diffus ausgedrückt, dass wir nicht herauslesen können, ob Herr Mertens nur mit dem Dogmatismus oder auch mit dem Maoismus gebrochen hat. Das wäre aber genau das Interessante bzw. egal und wie auch immer, wäre es eben interessant, wie das Ganze denn vonstatten ging. Stattdessen erhalten wir eine Kurzbiografie von Peter Mertens. Sicher auch interessant, weil natürlich kein uninteressanter Mensch. Die Partei entwickelt sich der Darstellung nach mit und neben ihm. Was amn aber doch als kritischer Leser herauslesen kann, dürfte es so gewesen sein, dass sich die Partei, was die Thematik ihrer Positionen betrifft, stärker in die Breite entwickelt hat, weil sie sich nicht alleine mit maoistischem Marxismus beschäftigt hat, sondern die Welt der Steuern, der Energie etc., also kurz und von der Arbeiterstimme nur angedeutet gesagt, die reale belgische Welt in die Diskussionen und die daraus zu ziehenden Lehren mit hat einfließen lassen. Eigentlich ist das erst die Basis auf der man Prinzipientreue benötigt; alles andere ist Religion. Die Partei ist also zur Partei geworden, weil sie das reale Leben über die Lehre des Marxismus nicht hat vorbeiziehen lassen, sondern sie hat es zum realen Gegenstand der marxistischen Untersuchung und Forschung gemacht; so jedenfalls ist es leider bloß angedeutet, aber wohl zu verstehen. Nur darum kann jetzt (Spalte 3 S. 11) mit Fug und Recht behauptet werden „Eine Partei mit angeschlossener Gesundheitsorganisation“ und nicht umgekehrt!

7) Aber dann wird schon wieder alles verdreht. Man könne den Erfolg nur durch die Gesundheitsorganisation verstehen. Der Erfolg war doch eben noch, dass die Partei zur Partei geworden ist! Und jetzt zählt man uns die Gesundheitszentren, das Pflege- und Verwaltungspersonal und die Patienten auf. Niemals jemals wäre mir bis jetzt eingefallen, die Erfolgsgeschichte der KPÖ an Frau Rudolfine Steindling festzumachen. So verschieden sie auch sind Gesundheitszentren und Treuhandfirmen, und so verschieden beide auch erfolgreich sein können, beide sind doch auch wesentlich verschieden zu den Erfolgen einer Arbeiterpartei?! Ich will damit nicht sagen, dass nicht Gesundheitszentren wie Treuhandfirmen auch zum Erfolg einer Partei beitragen können, aber sie bemessen ihn doch keinesfalls! Vielmehr ist es für eine Arbeiterpartei als Erfolg zu verbuchen, wenn sich zwei Ärzte (also Nicht-Arbeiter) ihrer Prinzipientreue wegen suspendieren und verurteilen lassen. Die Überzeugungsarbeit der Partei ist ja hier wohl der Erfolg und natürlich auch die Rückenstärkung und Hilfestellung, die sie leistet. Und auch die Gesetzesänderung kommt wohl nicht aus den Gesundheitszentren, sondern aus den Parteigremien.

8) Damit sind aber keinesfalls die Leistung zu schmälern, die anschließend über diese medizinischen Vorfeldorganisationen berichtet werden. Dass man auch das Personal, besser gesagt die Chefetagen der Organisationen nach progressiven weltanschaulichen Rastern besetzt (Frauen und Arbeiterinnen an die Macht!) und man diese Leistungen auch der Öffentlichkeit bekannt macht, ist eine große Leistung und propagandistisch wichtig.

9) Der Punkt mit der „Symmetrie“, Flandern und Wallonie, ist kein Fehler der Partei. Da ist nicht die Partei das Problem, sondern da steht gewissermaßen die Partei vor einem Problem. Und Probleme sind da zum Lösen, und genau dieses Problemlösen kann man als Erfolg verbuchen – nicht Wahlen. Das Ergebnis der Wahl ist dann bestenfalls Ausdruck des Erfolgs, eigentlich nur Begleiterscheinung.

10) Nächstes Problem: Kleines Land muss warten auf die großen? Ich weiß nicht. Kleines Land ist abhängig von den Großen? Imperialismus? Muss man warten? Worauf? Wann kommt der richtige Zeitpunkt? Sollte man da nicht ständig auch weiterlernen, diskutieren und mit dem richtigen Zeitpunkt möglichst auf Tuchfühlung sein? – Ich weiß, ich sags jetzt so einfach dahin, aber die Arbeiterstimme ja auch!

11) S. 14 „Auch einmal Verantwortung übernehmen!“ Ich kann es nicht mehr hören. Da sollen die Marxisten also mit und von den Grünen über die Neos bis hin zur FPÖ Politkultur erlernen?

12) Die Prallele zu Österreich liegt auf der Hand. Vor allem beim belgischen Gesundheitssektor hat man schon die ganze Zeit an den österreichischen Immobiliensektor gedacht und natürlich auf die derzeitige KPÖ Graz und Salzburg. Ja, gut gemacht. Man muss nicht mit der Medizin anfangen, man muss auch nicht mit dem Wohnen anfangen. Auch der Anfang hängt von den nationalen Gegebenheiten ab. Aber

  • marxistische Prinzipientreue
  • enge Verbindung zur Lohnarbeiterklasse
  • Wahrnehmung sozialer Aufgaben im Interesse der Prekarisierten der subalternen Klassen

und genau in der Reihenfolge!