Der Demokrat und Friedensnobelpreisträger Obama überzieht die Welt von Zentralasien bis Nordafrika mit Kriegen. Der Sozialist Hollande unternimmt und plant Kriegszüge von Westafrika bis Westasien. Aktuell konzentrieren sich die Kriegsbemühungen der beiden Wettbewerbs- Partner auf Syrien. Dort hat der feindliche Konkurrent Russland einen letzten kleinen Flottenstützpunkt am Mittelmeer und hält das Assad-Regime an der neokolonialen Leine.
Wie in Libyen scheint die Zeit reif für einen militärisch erzwungenen Regierungswechsel im Interesse der us-amerkanischen, französischen und britischen Imperialisten. Militärberater, Waffen und Ausbildner werden nach Syrien in Bewegung gesetzt, dazu kommen gutgeschulte Söldner aus den befreundeten arabischen Staaten. Jetzt fehlt noch ein richtiger Kriegsgrund, wie etwa die Massenvernichtungswaffen im Irak oder der Völkermord der Hitler von Serben. Anfang Mai 2013 erschüttert ein Giftgaseinsatz die Massenmedien, doch wenige Tage später bestätigen überlebende Opfer, dass das Giftgas Sarin von Stellungen islamistischer, regierungsfeindlicher Milizen abgeschossen worden war. Ende Mai werden in der türkischen Stadt Adana und an der Grenze zu Syrien Angehörige der klerikal-faschistischen Dschabhat-al-Nusra mit insgesamt 2 kg Sarin erwischt. In den Massenmedien wird das übergangen, aber die österreichische Militärzeitung „Soldat“ berichtet z.B. darüber in ihrer Nr. 15/2013. Im September wird ein weiterer Giftgaseinsatz von UNO-Inspektoren untersucht und die Regierungen von USA, Frankreich und Britannien stimmen ihre Bevölkerung auf Krieg zur Rettung von Menschenleben ein – so wie seinerzeit in Libyen. Aber Russland und China blockieren eine entsprechende UNO-Resolution. Auch in den Parlamenten der Kriegshetzer finden sich vorläufig keine Mehrheiten für eine offene militärische Aggression auf Seiten der islamistischen Söldner und Milizen. Stattdessen werden ab September schwere Waffen, noch mehr Ausbildner und weitere Berater an die sog. Freie Syrische Armee geschickt, damit diese Rebellen endlich wieder aus der Defensive herauskommen. Nach Einschätzung bürgerlicher Militärexperten (Janes Sep.2013) sind heute etwa 100.000 bewaffnete Oppositionstruppen im Kampf gegen das Assad-Regime im Einsatz, 75% davon „Islamisten“, und mehr als die Hälfte davon „Radikale“ und „ausländische Dschihadisten“. Andere Schätzungen gehen davon aus, dass fast 50% der Kämpfer aus dem Ausland kommen.
Was wurde eigentlich aus den Aufständischen in den Dörfern und Städten, die es im März 2011 wagten, dem Assad-Regime offen entgegenzutreten? Was passierte mit der Volksbewegung, die sich damals rasch unter der Jugend der Dörfer und Stadtarmut in den Vororten ausbreitete und den Sturz des Assad-Regimes forderte?
Die Ausgangslage in Syrien Anfang 2011 erinnert in vieler Hinsicht an die Situation in der DDR 1989: Demokratische Kräfte unter kleinbürgerlicher Führung versuchen ein staatskapitalistisches, volksfeindliches Regime zu „demokratisieren“. Dabei gibt es in der Massenbewegung viel Unmut, aber sehr unterschiedliche Meinungen über das nächste Ziel – und keine Debatte über die längerfristige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Perspektive. Innerhalb kurzer Zeit übernehmen reaktionäre Kräfte mit massiver imperialistischer Unterstützung von außen die Führung der Bewegung.
Während sich in der kämpferischen demokratischen Volksbewegung und unter den Volksmassen längere Zeit keine klare Orientierung über den weiteren Weg der demokratischen Bewegung herausbildet und durchsetzt, treten verschiedene reaktionäre Kräfte rasch sehr entschlossen und bewaffnet für ihr eigenes Programm auf und können bald die Führung der Bewegung übernehmen bzw. diese in ihrem Sinn umorientieren. In der DDR 1989 war das die Orientierung auf einen Anschluss an die imperialistische BRD, in Syrien ist das ein klerikal-faschistischer Staat („Kalifat“), vergleichbar mit Saudiarabien, Qatar oder noch reaktionärer.
Die aktuelle Volksbewegung in Syrien begann am 15. März 2011 als rein spontane Erhebung in einzelnen Dörfern und Kleinstädten, weil die syrische Linke es jahrelang nicht verstanden hatte, die berechtigte Empörung der Volksmassen aufzugreifen und entsprechende Forderungen nach politischer und sozialer Umwälzung zu formulieren. So wurde in den entscheidenden Tagen Anfang 2011 die gesamte syrische Linke von den Volksmassen als Kolaboratöre des Unterdrückersystems angesehen, die bestenfalls für Reformen im Rahmen der bestehenden Verhältnisse eintraten. Demgegenüber malten Anfang März 2011 zwei Jugendliche in der südsyrischen Stadt Daraa die Parole an eine Wand: „Das Volk will den Sturz der Regierung!“, wurden dafür verhaftet und lösten damit einen Volksaufstand aus, an dem sich nach und nach immer größere Teile der Landbevölkerung, vor allem die kleinbäuerlichen Massen beteiligten.
Im Unterschied zu Tunesien und Ägypten konnte sich diese spontane Bewegung von unten nicht mit einer organisierten politischen Opposition oder einer aktiven Gewerkschaftsbewegung verbinden; so etwas existiert in Syrien nicht. Die einzigen Gewerkschaften in Syrien sind die legalen staatlichen (gelben) Gewerkschaften, und mehrere staatliche Organe, darunter der Geheimdienst, wachen genau darüber, dass sich dort keine Linken organisieren können. Da in Syrien die politische Unterdrückung seit Jahrzehnten viel stärker ist als vergleichsweise in Tunesien oder Ägypten, gibt es hier auch keine bedeutenden halb-klandestinen demokratischen Organisationen von Intellektuellen, Menschenrechtlern usw. So wird z.B. jeder Internet-Kontakt aus Syrien mit einer ausländischen Organisation wegen „Kommunikation mit dem Feind“ mit mehrjährigen Haftstrafen bedroht. Eine weitgehend legale Bewegung wie etwa in Ägypten unter der Parole „Uns reicht’s!“, die neben Intellektuellen auch Teile der Arbeiter/innen erfasste, konnte in Syrien nicht entstehen. In den letzten 30 Jahren sind viele syrische Intellektuelle mit revolutionärer Einstellung aus verschiedenen Gründen zu mehr als 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. So wurden beispielsweise allein im Jahr 1986 etwa 200 Mitglieder der Kommunistischen Arbeiterpartei Syriens (CLP) verhaftet und 21 davon zu langjährigen Strafen verurteilt. Ab 1991 war diese Partei weitgehend zerschlagen und konnte erst 2003 mit großen Mühen eine organisierte Untergrundarbeit wieder aufnehmen, wobei das Regime 2006 und 2010 wieder mit Verhaftungen gegen mutmaßliche Mitglieder der CLP vorging.
Als März 2011 die Volksrevolte begann, war das eher eine Reihe von spontanen Aufständen in verschiedenen Wohnvierteln als eine zentrale Erhebung oder gar Revolution. Der aktivste Teil war (wie in Tunesien) die gebildete aber arbeitslose Jugend, die keine Perspektive in diesem System
sah, weil z.B. etwa 20% der syrischen Maturant/innen keine Arbeitsstelle finden, sondern bestenfalls tageweise jobben. Natürlich waren auch einzelne Industriearbeiter/innen an den Aufständen beteiligt, aber im wesentlichen waren es Leute ohne oder zumindest keiner regelmäßigen Arbeit. Einen weiteren wichtigen Teil der Bewegung bildeten die arbeitslosen Akademiker/innen aus dem Kleinbürgertum. Anfänglich (bis 2012, als die bewaffneten Gruppen die Kontrolle ganzer Stadtviertel übernahmen), war die neue Bewegung gemischt aus (vor allem) jungen Frauen und Männern und die Einbeziehung der Frauen wurde bewusst vorangetrieben.
Diese spontane jugendliche Volksbewegung im Frühling 2011 stellte allerdings keine gesellschaftlichen Forderungen auf, sondern beschränkte sich auf politische Forderungen nach „Demokratie und Freiheit“, weil sie dachten, damit könnten sie alle Probleme des täglichen Lebens lösen. Ihr Hauptziel – außer dem Sturz von Assad – war eine Novellierung der Verfassung, insbesondere des Artikels 8, in dem die Führung durch die „Arabische Sozialistische Baath-Partei“ festgeschrieben war. (Diese Formulierung wurde inzwischen 2012 aus der Verfassung gestrichen.) Diese beschränkte Sichtweise und Ausrichtung auf bürgerlich-demokratische Forderungen wurde durch die traditionelle Linke (soweit sie sich 2011 wieder zeigte) noch verstärkt, da diese den Dialog mit dem Regime und schrittweise Reformen predigten.
Aufgrund der Zersplittertheit und politischen Beschränktheit der Bewegung konnte sie das Regime nicht wirklich gefährden. Eine Zeit lang drohte ein Militärputsch, der Assad beseitigt, aber das bestehende System gefestigt hätte.
Um das Assad-Regime wirklich durch eine Volkserhebung und Revolution zu stürzen, hätte es der Mobilisierung der Millionen von Volksmassen auch in den Großstädten bedurft (Syrien hat ca. 21 Mill. Einwohner/innen). Dafür hätte die Bewegung aber auch sozialpolitische, gewerkschaftliche und revolutionär-demokratische Forderungen entwickeln und verbreiten müssen. Wie sich zeigte, waren die kommunistischen Kräfte dafür zu schwach und wenig einflussreich. Aber nur so wäre es gelungen, die breiten Massen der Arbeiter/innen und deklassierten Angestellten und Kleinbürger/innen zu mobilisieren. Etwa 25% (nach UNO-Zahlen) bis 50% (nach Angaben des oppositionellen Ökonomen Aref Dalila) der Bevölkerung Syriens leben unter der Armutsgrenze. Die syrische Wirtschaft ist aufgrund des jahrzehntelangen staatbürokratischen Kapitalismus ganz anders strukturiert als z.B. die tunesische Wirtschaft mit ihrer breiten Schicht an Kleinbürgertum, den sog. besser gestellte Mittelschichten. In Syrien bilden die Lohnarbeiter/innen (einschließlich der kleinen Angestellten) die Mehrheit des Volkes, und das Kleinbürgertum (d.h. selbstbeschäftigte Kleineigentümer fast ohne Lohnarbeiter/innen) ist eine kleine Minderheit. Durch die Privatisierung der Staatsbetriebe unter Bashar Assad (die schon unter seinem Vater Hafez begann) konnte die neue Bourgeoisie viel Kapital in ihren Händen akkumulieren, und dabei wurde die sog. besser gestellte Mittelschicht weitgehend zertrümmert. Ein Teil von ihnen wurde zu großen Kapitalbesitzern und Ausbeutern, während der größere Teil von ihnen auf das Lebensniveau der Lohnarbeiter/innen hinuntergesunken ist. Heute müssen Staatsangestellte zwei Zusatz-Jobs annehmen, damit sie ihre Familie ernähren können, von denen wahrscheinlich einige gerade arbeitslos sind. Viele Lehrer arbeiten z.B. in der Nacht als Taxler.
Syrien hätte genug Landwirtschaft, um sich selbst versorgen zu können, kann es aber nicht. Wie in Ägypten wird der beste Weizen und die beste Baumwolle exportiert und der Staat importiert günstig Baumwolle und Weizen von schlechter Qualität.
Die Bäuer/innen sind für die Rebellion, weil die Landbourgeoisie und die große Landbesitzer wirtschaftlich mit dem Regime verbunden sind, wenn auch nicht unbedingt politisch. Die Agrarreform in den 1960er und 70er Jahren hat den feudalen Landbesitz an die Kleinbäuer/innen verteilt, aber sie haben nicht die nötige Unterstützung wie Kredite, Zugmaschinen oder Handelsorganisationen bekommen. So sind sie ständig von Dürren und Missernten bedroht, und damit in Abhängigkeit von ihren früheren Feudalherren, bei denen sie um Kredite betteln müssen. Oft arbeiten sie zeitweise als Lohnarbeiter/innen, Teilpächter oder Pachtbauern bei ihren früheren Feudalherren. Die großen Sympathien der Kleinbäuer/innen für eine soziale Revolution zeigt sich vor allem darin, dass das Volk in den Kleinstädten und in den Randgebieten der größeren Städte als erstes auf die Straße gingen – lange bevor die Aufstände und Rebellionen die Großstädte erreichten.
In Damaskus und Aleppo, den beiden größten Städten, wo das Industrieproletariat konzentriert ist, beschränkten sich die Demonstrationen anfänglich auf ein paar Universitäts-Fakultäten. Die größten Demos hingegen gab es anfangs in Daraa und in Dörfern wie Nawa und Zalkhab. Die Region um Daraa blieb lange ein Zentrum der Volksrebellion, weil es ein Zentrum der Armut ist. Die meisten Bewohner/innen sind Kleinbäuer/innen oder Bauarbeiter. Viele gingen zur Zeit der syrischen Invasion im Libanon dorthin und arbeiteten für die libanesische Bourgeoisie (und in den Golfstaaten) in der Bauindustrie. Mit dem Rückzug der syrischen Armee aus Libanon und dem Beginn der Wirtschaftskrise, die auch die Ölstaaten am Golf erwischt hat, kamen sie als Arbeitslose zurück in ihre Heimat. Diese arbeitslosen Bauarbeiter spielten eine wichtige Rolle in der Bewegung in Daraa.
Daraa ist die Hauptstadt der Region Hauran, wo gleich am Beginn in vielen Dörfern die Rebellion erstarkte. Das Gebiet ist ein wichtiges Weizenanbaugebiet, aber die Bevölkerung ist sehr arm und wenig gebildet, weil die Kinder statt in die Schule zu gehen schon früh am Feld mitarbeiten müssen. Andere Syrer machen sich oft lustig über die Leute aus Hauran mit ihrer Rückständigkeit. Aber sie waren die ersten, die sich gegen das Assad-Regime und die unerträglichen Zustände in Syrien erhoben.
Die herrschende Klasse in Syrien besteht aus zwei Teilen der Bourgeoisie, die (heute noch dominierende) neue bürokratische Bourgeoisie und die traditionelle Handelsbourgeoisie. Die bürokratische Bourgeoisie entstand mit der Machtergreifung unter Hafez al-Assad im Jahr 1970. Die hohen Kommandanten in der Armee und im Geheimdienst wurden im Volk „10%-Herren“ genannt, weil sie für jeden Vertrag zwischen dem Staat und ausländischen Investoren oder für Genehmigungen für traditionelle Bourgeois 10% kassierten. Mit der Zeit wurden alle im Herrschaftsapparat zu „10%-Herren“, was bedeutet, dass riesige Mengen von Kapital in den Händen der Bürokraten bzw. Apparatschiks konzentriert waren. Als Assads Sohn Basher im Jahr 2000 die Macht übernahm, begannen die Apparatschiks ihr Kapital im Ausland – und nach Bashers Marktreformen und Privatisierungen auch in Syrien – zu investieren. Dadurch wurde ein Teil der bürokratischen Bourgeoisie, die zu einem Großteil aus dem Kleinbürgertum stammten, noch reicher, während die anderen Teile des Kleinbürgertums immer mehr verarmten. Die Baath-Partei (Partei der Wiedergeburt) nannte sich zwar arabisch-sozialistisch, hatte aber mit Sozialismus in Sinn von Marx nichts zu tun. Zu keinem Zeitpunkt wurde auch nur versucht, die Bourgeoisie (die Kapitalistenklasse) zu beseitigen. Der Feudalismus wurde in Syrien weitgehend beseitigt, aber die kapitalistische Produktionsweise (die auf der Ausbeutung der Lohnarbeiter/innen beruht) und die Abhängigkeit vom Imperialismus blieben bestehen.
Nach dem Staatsstreich von 1963 wurde die Großindustrie verstaatlicht und kam in die Hände der Parteikader, die anfangs nur 500 Personen umfassten und den Kern der staatsbürokratischen Bourgeoisie bildeten. Nach Assads Militärputsch 1970 wurden unter dem Namen „soziale Produktionsweise“ massenhaft (ehemalige) Privatkapitalisten in die neue bürokratische Bourgeoisie eingegliedert, weil das Regime erfahrene Kapitalisten zur Leitung ihrer kapitalistisch organisierten Betriebe brauchten. Damals erhielt Syrien zum ersten Mal eine Verfassung. Diese war völlig auf den Putschführer und nunmehrigen Präsidenten Assad (Vater) zugeschnitten: Die oberste Macht der Republik lag beim Präsidenten. Er konnte den Notstand ausrufen, Ausgangssperre verhängen, Sondertribunale und ein Tribunal der Obersten Staatssicherheit einrichten; alle Verfassungsartikel, in denen Freiheiten garantiert waren (z.B. Organisationsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Demonstrationsfreiheit), konnten vom Präsidenten außer Kraft gesetzt werden. So herrschte in Syrien seit 1970 ununterbrochen Ausnahmezustand.
Klassenkämpferische Gewerkschaften und antikapitalistische Organisationen wurden verfolgt und immer mehr Unterdrückte sammelten sich in den Moscheen um regimekritische Prediger. 1980, 1981 und 1982 kam es mit teilweise großer Unterstützung aus der Bevölkerung zu Aufstandsversuchen der Moslembrüder in Aleppo, Homs und Hama gegen die „gottlose“ Regierung und für die Einführung islamischer Gesetze. Nach deren blutiger Niederschlagung herrschte bis 2011 weitgehende Grabesruhe.
Syrien galt lange als laizistischer Staat, in dem alle Religionen gleichberechtigt wären. Aber die Machtstruktur des Assad-Regimes stützt sich fest auf die alewitischen Clans, während große Mehrheit der Syrer/innen (ca. 75%) sich am sunnitischen Glauben orientieren. Die Alewiten dominieren sowohl die Regierung als auch die Armee und den Sicherheitsapparat. Schon bald nach dem Ausbruch der ersten Rebellionen 2011 hat die Assad-Regierung die religiöse Karte ausgespielt und versucht, alle Alewit/innen und Christ/innen geschlossen hinter sich zu vereinen, indem sie vor einem religiös motivierten Bürgerkrieg „warnte“. Damit machten sie gleichzeitig einen großen Teil der reformistischen Linken (unter anderem der revisionistischen KP Syriens) mundtot, die in diesen Zeiten der Gefahr dem Regime sofort beistanden.
Die imperialistischen Großmächte USA, GB und Frankreich haben schon länger große Anstrengungen unternommen, um aus strategischen und taktischen Erwägungen das Assad-Regime zu destabilisieren. 2011 haben sie sofort die von Assad begonnene Spaltung nach Religionsgruppen aufgegriffen und setzen massiv auf die Aufrüstung und Ausbildung „sunnitischer“ Milizen. Mangels revolutionär-demokratischer Perspektive und wegen dem massiven Auftreten religiöser Fanatiker-Banden definieren sich die verschiedenen Gruppen im Bürgerkrieg immer mehr nach Religionsbekenntnis. Die Handlanger der westlichen Imperialisten in Saudiarabien und Qatar, aber auch in der Türkei tragen das ihre dazu bei, den Schrei des syrischen Volkes nach Demokratie durch ein Geschrei nach Allah dem Größten zu übertönen. Und das Dröhnen der mitgelieferten schweren Waffen bildet dazu den betäubenden Hintergrundlärm…
Seit Ende 2012 bewegt sich der von außen gesteuerte Bürgerkrieg (Söldnerkrieg?) weitgehend entlang religiöser „Grenzen“: Nichtreligiöse, politische und ethnische Milizen spielen derzeit militärisch fast keine Rolle mehr. Einzige rühmliche Ausnahme sind die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) im autonomen Kurdengebiet Ostsyriens bzw. West-Kurdistans (Rojava)
Dort haben sich 16 kurdische Organisationen, darunter die Partei der Demokratischen Union (YPD), im Hohen Kurdischen Komitee (Kurdischen Hochkomitee) zusammengeschlossen. Sie verlangen vom Assad-Regime vor allem die Anerkennung als eigene Nation im Rahmen des syrischen Staates sowie eine regionale Autonomie (keine Lostrennung). Die YPG sind offensichtlich wirklich gut im Volk verankert und unter den etwa 15.000 Kämpfer/innen gibt es auch eigene „Frauenverteidigungseinheiten”, d.h. ausschließlich aus Frauen bestehende Brigaden. So konnten die YPG-Brigaden im Juli 2013 eigenständig das kurdische Gebiet gegen schwere Angriffe der islamistischen Al-Nusra-Front verteidigen und bei ihrer anschließenden Gegenoffensive die seit Ende 2012 von der Al-Nusra-Front besetzte Grenzstadt Ras al-Ain befreien.
Rojava (Westkurdistan) ist eine kleine, aber vorbildliche Region Syriens. Das Gebiet ist politisch, wirtschaftlich und militärisch in den Händen des Volkes und wird von bewaffneten Volksverteidigungseiheiten geschützt. Weder die Soldaten des Assad-Regimes noch irgendwelche Kampfgruppen für die Durchsetzung islamistischer Gesetze (und imperialistischer Interessen) gegen das Volk haben in Rojava das Sagen. Die zentralen Regierungsgeschäfte werden vom Kurdischen Hochkomitee geführt, an der Basis in den Dörfern und Kleinstädten werden die Angelegenheiten durch Volkskomitees geregelt. Die Kräfte des Kurdischen Hochkomitees, allen voran die PYD, stellen sich politisch und militärisch auf keine der beiden reaktionären Seiten im Syrien-Krieg und unterstützen damit keinen der beiden imperialistischen Blöcke im Ringen um die Weltherrschaft. So verhalten sich wirklich antiimperialistische Kräfte.
Anders als manche linken Kräfte (z.B. der revisionistischen KP Syriens), die den berechtigten Bestrebungen der Volksmassen nach politischer und sozialer Umwälzung in den Rücken fallen, machen sie keine Bündnisangebote an das bedrängte Assad-Regime unter dem Vorwand, dass dieses angeblich der einzige Garant gegen drohende blutige Massaker und nationalistische und religiöse Gemetzel sei. Sie lehnen es ab, sich an einer angeblichen „syrischen Revolution“ zum Sturz des Assad-Regimes zu beteiligen, die von der Freien Syrischen Armee und anderen Kräfte der sog. Nationalen Koalition vorangetrieben und gleichzeitig vom imperialistischen Ausland gesteuert wird. Wer in der derzeitigen Situation glaubt, zwischenimperialistische Widersprüche (z.B. zwischen Russland und USA) für seinen eigenen Kampf um Demokratie oder Revolution in Syrien ausnützen zu können, macht sich nur zum willigen Werkzeug der Imperialisten.
Der Hauptwiderspruch in den halbkolonialen Regionen der heutigen Welt ist der zwischen dem Imperialismus und den Volksmassen der unterdrückten Nationen. Es ist nicht der Widerspruch zwischen Imperialismus und bürokratischen Handlanger-Bourgeoisien, der die gesellschaftliche Entwicklung vorantreiben wird. Der weltweite Übergang vom alten Besatzungs-Kolonialismus zum Neokolonialismus hat die nationalen bürokratischen Bourgeoisien der abhängigen Länder zu einem reaktionären Teil des Weltimperialismus gemacht – unabhängig von ihrer nationalistischen oder teilweise sozialistischen Rhetorik und unabhängig davon, welcher imperialistischen Macht sie zuneigen.
Weltweit treibt der grundlegende Widerspruch zwischen den imperialistischen Großmächten samt ihren jeweiligen Blöcken unvermeidlich auf einen großen Krieg, einen neuen Weltkrieg zu. Die hemmungslose Demagogie der Großmächte, die wir heute im Syrienkrieg mitverfolgen können, wird in den nächsten Jahren noch weiter gesteigert werden, um die Volksmassen der jeweiligen Länder auf die Interessen der „eigenen“ Imperialisten gegen die der feindlichen, konkurrierenden Imperialisten einzuschwören. Heute ist ein Großteil der Bevölkerung weltweit gegen einen direkten militärischen imperialistischen Angriff auf Syrien, auch in USA, Frankreich, Britannien oder Österreich. Aber werden die Volksmassen überall aufstehen, wenn „ihre“ Regierungen trotzdem mit dem Bombardement beginnen?!
Obwohl wir als österreichische revolutionäre Kommunist/innen das Assad-Regime politisch klar ablehnen, sehen wir die Haltung zum Assad-Regime nicht als entscheidende Frage in der Bildung von Aktionseinheiten für Demonstrationen und andere Aktionen. Unser Hauptanliegen ist in der aktuellen Situation die Verhinderung imperialistischer Angriffe auf Syrien. Ein Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, und weder die Politik der Unterstützung und Ausnützung des Assad-Regimes durch Russland, noch die Destabilisierung durch Lakaien der westlichen Imperialisten hat fortschrittliche politische Züge, sondern ist durch und durch reaktionär.
Unsere Perspektive für Syrien ist die politische Unterstützung derjenigen Kräfte, die sich für eine revolutionär-demokratische und soziale Umwälzung und die Errichtung einer antiimperialistischen Volksherrschaft gestützt auf die Arbeiter/innenklasse einsetzen und danach handeln.
Unsere aktuelle Leitlinie ist der entschlossene politische Kampf gegen eine Balkanisierung Westasiens, insbesondere gegen jede militärische Intervention der Imperialisten in dieser ölreichen Region.
Stoppen wir die imperialistische Aggression gegen Syrien!
Keine Unterstützung für das Assad-Regime! Keine Unterstützung der reaktionären Oppositionstruppen!
Das syrische Volk muss seine Zukunft in die eigenen Hände nehmen!
Für Volksdemokratie und Sozialismus!
18.9.13